Keimzelle der Stiftungsgründung

Mario ist tot. 

Behutsam betreten Marios Freund Alexander und ich seine Wohnung. Wir wollen Marios Abschiedsfeier gestalten, gestalten als eine nachhaltige Feier, als Würdigung seiner selbst und in Würdigung seiner Freunde. Wir suchen authentisches, charakteristisches, das was Mario auszeichnete und ihn widerspiegeln kann.

Eine schwere Herausforderung. Wir sehen uns um. Auf dem Fensterbord in der Küche sehen wir eine farbenprächtige Trichterwinde, die ihren elegant geformten, aquamarinblauen Blütenkelch der untergehenden Abendsonne entgegenstreckt, als ob sie ihr hinterher eilen wollte. Auf dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers steht der Computer, welcher komfortabel mit vielseitigem Kommunikationsequipment verbunden ist. Links daneben liegen Studienunterlagen, davor viele Zettel, Bücher und Hefte. Hinter einem Regal, welches als Raumteiler geschickt im Zimmer platziert ist, sehen wir sein neues  Bett. Darüber hebt sich von der weißen Wand ein antikes, mahagonifarbenes Holzkreuz mit einer Christusfigur aus schneeweißem Marmor hervor. Vor dem Bett ein Clubtisch und dahinter, dem Bett gegenüber, eine große, cremefarbene Ledercouch. In der Ecke neben dem Fenster ruht ein bequemer Sessel, den er sich von Studienfreunden besorgte, darüber über die Wand gespannt leuchtet ein rotes Seidentuch mit dem Konterfei von Che Guevara.

Wir sehen uns um und entdecken im Regal eine Vielzahl von CDs. Welche würde Mario gefallen? Wir wissen es nicht und spielen einige an. Aber irgendwie ist es nicht das, was uns die Überzeugung gibt, die ist es, die Marios und unser Herz trift. Wir suchen weiter.

Unscheinbar entdecken wir seitlich auf dem Board eine CD von Neil Diamond mit der Filmmusik „Die Möwe Jonathan“. Sie lässt uns erstarren, denn diese Musik und die Texte lassen uns Mario lebendig werden, er, selbst Segelflieger, hilfsbereit und auf der Suche nach Herausforderungen und jetzt endend in der Ewigkeit, so wie dieser kleine Vogel, dem das Jenseits sein vollendetes Glück sichtbar werden ließ.

Alexander und ich erleben beide gemeinsam, wie wir von einer unsichtbaren Hand, behutsam, intuitiv geführt, für ihn, für Mario, das Richtige und auch für uns das passende ausgewählt haben. Die ihn charakterisierende Musik und die ihn charakterisierenden Texte lösen bei uns das Gefühl von Dankbarkeit und Liebe aus, die uns hier und jetzt vereint.

Dieses Gefühl erfasste auch die anwesenden Gäste der anschließenden Abschiedsfeier, die berührend erlebten, wie Mario im Holzsarg, umhüllt mit einem Gebinde aus weißen Rosen und oben auf sein Holzkreuz mit der Marmorfigur im Sonnenlichte schneeweiß leuchtend, mitten unter seinen Freunden, im ewigen Schlafe liegend, und von diesen durch vollendet gespielte Klänge und vollendet vorgetragener Sprache liebevoll  begleitend, in die Ewigkeit verabschiedet wurde.

Diese nicht mit Worten beschreibbare Erfahrung konnten wir, auch im beidseitigen Bewältigen unseres körperlichen und seelischen Leidens, immer wieder aufs Neue, durch den Zuspruch der Herzen vieler Menschen, beginnend mit der Abschiedsfeier und fortsetzend in unseren bisherigen Musikprojekten, Lesungen und Gespräche, erleben.

All diese Herzen empfinden und sehen wir als Wegweiser in unserer Lebensspur, sie geben uns den Trost und die Dankbarkeit, die Ermutigung und die Kraft, uns in unserem weiteren Tun zu bestärken.

Dieses empfundene Vermächtnis von Mario, allen ein fühlendes und sehendes Herz zu schenken, ist der Grundstein und die Grundidee der

Mario Pradella Stiftung.

 

Ulrich Pradella (Vater von Mario)

 

Nachwort: am 21. April 2011 verstarb mein Freund  Alexander Hans, im Alter von 27 Jahren, an Mukoviszidose.